Care GATSIBO

CARE im Distrikt GATSIBO

WAS IST CARE?

CARE steht für “Comprehensive solutions for increased Access to mental health care Rooted in communities and Enhancing public services” – ein langer Name für ein großes und wichtiges Projekt.

Mit CARE wollen wir die medizinische und psychologische Versorgung von ca. 3500 Menschen mit MNS-Störungen (Mental Neurological and Substance abuse)  in Gatsibo deutlich verbessern. Gatsibo ist einem Landkreis oder Distrikt der Ostprovinz Ruandas mit ca. 70.000 Einwohnern.  Für diese Menschen und ihre Familien soll einerseits der Zugang zur medizinischen und psychologische Versorgung deutlich vereinfacht werden, gleichzeitig aber soll auch die Einstellung der lokalen Bevölkerung zu MNS-Störungen behutsam korrigiert werden, indem Stigmatisierung und Diskriminierung dieser Störung abgebaut werden und als dritter Baustein des Projektes soll das Armutsniveau der von MNS-Störungen betroffenen Menschen und Familien gezielt verringert werden.

WARUM IST CARE WICHTIG?

Krankheiten, die den Körper nicht physisch befallen, sondern psychische, neurologische Störungen und Substanzmissbrauch (MNS) verursachen, werden bei der Behandlung von Gesundheitsproblemen in Entwicklungsländern generell meist sehr stiefmütterlich behandelt und das obwohl sie mehr als 10 % der globalen Krankheitslast in Entwicklungsländern ausmachen (Quelle WHO 2006). In Ruanda sind dir Menschen, als Folge der traumatische Erfahrung des Völkermord von 1994, nochmal deutlich stärker betroffen von Krankheiten wie Depressionen, Angststörungen oder posttraumatische Belastungsstörungen. Diese legen sich zusammen mit bestimmten kulturellen Überzeugungen (z.B. in Bezug auf Epilepsie) wie ein unsichtbarer Schatten auf die Seelen und das Leben vieler Menschen.  CARE hat sich zum Ziel gesetzt diesen Menschen, deren Schreie keiner hört, zu helfen.

Bild: Massengräber im Genozid-Denkmal, Kigali

WIE HILFT CARE?

Um eine nachhaltige Wirkung zu erzielen, ist ein breiter gesellschaftlicher Ansatz notwendig, da die Betroffenen aufgrund von Unwissenheit und Vorurteilen oft stigmatisiert und sozial ausgegrenzt werden, was sie in einen Teufelskreis aus Leid und Verarmung treibt. CARE hat sich daher zum Ziel gesetzt, in drei Gesundheitszentren in Gatsibo ca. 3500 Menschen mit MNS-Erkrankungen zu identifizieren und zu betreuen und dabei auch deren Familien und Nachbarschaft einzubeziehen. Basierend auf sehr positiven Erfahrungen in anderen Distrikten Ruandas ist die zentrale Idee des Projektes, drei bereits bestehende Komponenten miteinander zu verbinden, um Synergieeffekte zu schaffen:

• Zum einen ist da die wissenschaftliche Vorarbeit der WHO in Ruanda. Basierend auf der Erkenntnis, dass es weltweit (insbesondere in Entwicklungsländern) ein enormes Defizit in der Behandlung von MNS-Störungen gibt, hat die WHO ein großes Programm (genannt mhGAP = mental health GAP) mit vielen Tools und Unterstützungsstrukturen entwickelt, um diese Lücke zu schließen.

...mehr lesen

• Zweitens hat das Gesundheitsministerium von Ruanda in Zusammenarbeit mit der Universität, dem College of Medicine and Health (CMHS) und dem Ndera-Krankenhaus (Referenzkrankenhaus in Ruanda für psychische Gesundheit und psychiatrische Versorgung) das strategische Ziel ausgegeben: Bis 2024 sollen in allen Gemeinden psychiatrische Gesundheitsdienste mit einem genau definierten Mindestangebot an Leistungen verfügbar sein.

• Drittens hat AVSI-Ruanda bereits seit 1994 (also unmittelbar nach dem Genozid) erfolgreich ein sehr starkes Netzwerk in verschiedenen Provinzen bis hinunter auf die Gemeindeebene aufgebaut, das verschiedene lokale Akteure durch sehr unterschiedliche soziale und karitative Engagements zusammenbringt. AVSI-Ruanda beabsichtigt, diesen synergetischen Ansatz mit lokalen Akteuren und den lokalen Gesundheitsdiensten auch im Gatsibo-Distrikt zu fördern.

Aufbauend auf diesen drei Säulen, ergänzt durch innovative digitale Technologie, die sich in Ruanda bewährt hat und in Zeiten der Corona-Epidemie perfekt passt, will AVSI in den Dörfern rund um die drei Gesundheitszentren ca. 650 Gesundheitsdienstleister bzw. Community Provider rekrutieren, die auf bestehenden Netzwerken aufbauen und ca. 70.000 Einwohner abdecken. Diese werden gemäß dem von der WHO herausgegebenen mhGAP-Interventionsleitfaden geschult. Das Training und die Supervision werden von 10 Supervisoren und Trainern durchgeführt, die von entsprechenden Spezialisten des Ndera Hospitals ausgebildet werden.

Die schätzungsweise 3500 Menschen und ihre Bezugspersonen und Familien werden umfassend über ihr Leiden informiert, erhalten eine erste psychologische Behandlung, werden bei Bedarf medikamentös versorgt und in schweren Fällen in ein Krankenhaus eingewiesen. Außerdem sollen sie dabei begleitet werden, ihre Arbeit wieder aufzunehmen oder eine neue Ausbildung oder eine kleine einkommensschaffende Tätigkeit zu beginnen.

Auch die Familien der Betroffenen werden betreut und begleitet. Darüber hinaus soll in einer öffentlichen Aufklärungskampagne die gesellschaftliche Stigmatisierung und Diskriminierung, der Menschen mit MNS-Erkrankungen immer wieder ausgesetzt sind, bekämpft werden. So werden nicht nur die geschätzten 3500 direkt Betroffenen erreicht, sondern im Prinzip alle ca. 70.000 Einwohner im Umkreis der drei Gesundheitszentren über Familien, Nachbarn und Gemeinden.

weniger zeigen

CARE: DIE ERSTE ZWEI JAHREN

Nach dem erfolgreichen Abschluss der Ausbildung der Personen, die das Programm tragen und umsetzten sollen (10 Supervisoren, die als Trainer, Betreuer und Berater agieren, 22 Mitarbeiter der lokalen Gesundheitszentren und 650 Sozialarbeiter), begann die Umsetzung des Programms in größerem Stil:

  • In den Bezirken Gasange, Muhura und Kayego (Gesamtbevölkerung ca. 70.000 Personen) wurden 3450 Personen mit MNS-Störungen durch CARE identifiziert – eine Zahl die in etwa den statistischen Erwartungen entspricht.
  • Davon wurden circa 2050 Personen einer dauerhaften Behandlung in den lokalen Gesundheitszentren zugeführt und circa 60 Personen direkt in die Klinik eingeliefert. Etwa 1000 Fälle wurden als weniger gravierend eingestuft, sodass eine direkte dauerhafte Behandlung nicht als unmittelbar notwendig erschien.

Hinter diesen eher nüchternen Zahlen verbergen sich sehr viele Einzelschicksale von Personen, die aufgrund dieser Hilfe langsam den Weg zurück in ein normales Leben finden können. Auf unserem Besuch im November hatten wir die Freude, mit einigen dieser Personen sprechen zu können und es war sehr, sehr bewegend zu sehen, aus welchem Leid und welcher Not einzelne Personen mit Hilfe dieses Projekts erlöst werden konnten. 

Die Zahl der in den Gesundheitszentren von Kageyo, Muhura, Gasange und Gituza[1] mit MNS-Symptomen behandelten Personen, ist nach Einführung von CARE Jahr 2022 um fast 50 % im Vergleich zu 2020 (d.h. vor dem Projekt) gestiegen. In den beiden großen Bezirkskrankenhäusern (Kiziguro und Ngarama) stieg diese Zahl um fast 20 %, was absolut signifikant ist, wenn man bedenkt, dass in nur 4 der 14 Gesundheitszentren, die zum Einzugsbereich der beiden Krankenhäuser gehören, CARE implementiert wurde. All diese Zahlen belegen, dass CARE insgesamt ein Erfolg ist und vor Ort wirklich etwas nachhaltig Positives verändert hat.

...mehr lesen

Sehr schön zusammengefasst ist diese Erkenntnis im folgendem Zitat von Giovanni Galli, einem international anerkannten Experten auf diesem Gebiet, der im Mai 2022 eine Supervision von CARE durchgeführt hat:

"Wir müssen bedenken, dass in den europäischen Ländern die Herangehensweise an die Person mit einer psychiatrischen Erkrankung im letzten Jahrhundert einen Prozess des Wandels und der Entwicklung von einer einschränkenden Psychiatrie, die den psychiatrischen Patienten von der Gemeinschaft distanziert hat, hin zu einem Behandlungsansatz, der nicht nur pharmakologisch ist, sondern auf den Bedürfnissen der Person und auf der Entwicklung von Ressourcen mit ihrer Integration in die Gemeinschaft basiert, was ich mit dem Ausdruck "Resilienz, die zur Genesung führt" zusammenfassen könnte. Daher ist das, was in Ruanda geschieht, ein großer Wandel und eine Revolution in der Betrachtung von psychischen Erkrankungen und Menschen mit psychischen Störungen, bei denen es normalerweise eine lange Zeit braucht bis Vorurteile und Stigmatisierung verschwinden.

Ich war angenehm überrascht, in kurzer Zeit einige Aspekte der Gemeindepsychiatrie in Aktion zu sehen und ich danke Lorette Birara, Christine Niyokindi und allen Mitarbeitern von AVSI Ruanda für ihre Leidenschaft und die hervorragende Arbeit, die sie im Bereich der psychischen Gesundheit leisten sowie für die Zusammenarbeit, die sie erfahren haben.“

Im nächsten Bericht wollen wir von den öffentlichen Kampagnen erzählen, die in den Gemeinden des Einzugsgebiets von CARE durchgeführt wurden, in welchen die Bevölkerung über diese MNS-Erkrankungen sachlich informiert wurde. So wird ihr die Stigmatisierung und Tabuisierung etwas genommen.  Außerdem wollen wir von Personen berichten, die durch dieses  Projekt nicht nur die Krankheit überwunden haben, sondern auch wieder in ihr normales Sozial- und Arbeitsleben zurückgefunden haben.

[1] im Gesundheitszentrum von Gituza finden sich, aufgrund der lokalen Gegebenheiten, auch viele Einwohner des Bezirkes Kayego ein.

weniger zeigen

 

 

Wir freuen uns sehr das die Else Kröner-Fresenius-Stiftung die gesamte Förderung dieses so wichtigen Projektes übernommen hat und eigens auf der eigenen Webseite dargestellt hat. Ganz herzlichen Dank dafür!

 

Herzlichen Dank für Ihre Spenden unter Verwendungszweck: Ruanda

Projektverantwortung

Dr. Stephan Scholz:  stephan.scholz@supportinternational.de